Samstag, 29. Januar 2011

Vertragsarzt, Gemeinschaftspraxis, keine Tätigkeit in freier Praxis bei Fehlen des wirtschaftlichen Risikos und Nichtbeteiligung am Wert der Praxis - Kassenärztliche Vereinigung - sachlich-rechnerische Richtigstellung auch bei gesetzwidriger Gestaltung der beruflichen Kooperation

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Besteht eine vom Zulassungsausschuss genehmigte Gemeinschaftspraxis nur nach Außen, also nur zum Schein, hat die kassenärztliche Vereinigung das Recht zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung - Honorarrückforderung -, da eine Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes nicht erteilt wurde!!

 

Sachverhalt:
Der Kläger und der Beigeladene zu 2 schlossen 1996 einen Kooperationsvertrag. "Dieser beinhaltete im Wesentlichen, dass der Beigeladene zu 2. ... bis zum Ablauf einer Probezeit als "freier Mitarbeiter" der "Gemeinschaftspraxis" tätig werden sollte." Danach sollte der Beigeladene zu 2 "partnerschaftlich eingebunden werden, und zwar bei Herstellung paritätischer Gesellschaftsanteile. Auf ein Mitarbeiterverhältnis waren auch die Detailregelungen (Zahlung eines Festgehalts ua) ausgerichtet." Der Beigeladene wurde auch "als Facharzt für Diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz S. zugelassen. Zugleich genehmigte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers sowie des Beigeladenen zu 2. auf Führung einer Gemeinschaftspraxis.

 

Zu der im Kooperationsvertrag vorgesehenen partnerschaftlichen Einbindung des Beigeladenen zu 2. in die durch den Kläger kam es in der Folgezeit nicht. Durch Unstimmigkeiten wurde die Gemeinschaftspraxis 2001 beendet. "Die Beigeladene zu 1. rechnete als "Gemeinschaftspraxis Dr. P./Dr. Ph." Leistungen ab, die in der Praxis in S. und in einem ausgelagerten, mit einem CT-Gerät ausgestatteten Praxisteil im Kreiskrankenhaus S. erbracht worden waren. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hob die Honorarbescheide für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte die in diesen Quartalen ihres Erachtens zu Unrecht gezahlten Honorare zurück. Beide Ärzte hätten die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch vorsätzlich falsche Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt. Die Höhe des neu festzusetzenden Honorars des Klägers sei unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts ermittelt worden."

 

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11).

 

Die Beklagte hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung daher zu Recht darauf stützen dürfen, dass sich die Beigeladene zu 1. durch die angeblich gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers mit dem Beigeladenen zu 2. vertragsärztliches Honorar verschafft hat, das sie - bzw der Kläger in Einzelpraxis - bei Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten nicht hätte erzielen können. Diesen auf pflichtwidriger Verhaltensweise beruhenden Honoraranteil darf die KÄV sachlich-rechnerisch richtig stellen und insoweit bereits ausgezahltes Honorar zurückfordern. Sie ist nicht darauf beschränkt, den Pflichtenverstoß disziplinarisch zu ahnden und/oder auf die Entziehung der Zulassung hinzuwirken (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 12).

 

Die vertraglich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2. vereinbarte Kooperation erfüllte die Voraussetzungen des § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV nicht, weil der zu 2. beigeladene Dr. Ph. nicht in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV tätig war. Über die berufliche und persönliche Selbstständigkeit, die für die Ausübung der Tätigkeit des Vertragsarztes in "freier Praxis" erforderlich ist, verfügte Dr. Ph. zu keinem Zeitpunkt. Dieser Arzt trug nach den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kläger das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, die durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt.

 


http://www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de/

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 23.6.2010, B 6 KA 7/09 R

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