Samstag, 29. Januar 2011

Kein Anspruch des Versicherten auf Erlangung eines regelwidrigen Zustandes - Erlangung weiterer männlicher Körpermerkmale

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Sachverhalt:

Die weibliche Klägerin "leidet unter einer Störung der Geschlechtsidentität in Form einer sog. Zisidentität, bei der von dem/der Betroffenen eine Anpassung an das andere Geschlecht unter Beihaltung beidgeschlechtlicher körperlicher Merkmale angestrebt wird." Eine Mammae reduzierende Operation und eine Hormontherapie mit Testosteron wurde der Klägerin bereits durch die Beklagte Krankenkasse gewährt. Darüber hinaus wurde der Klägerin eine subkutane Mastekomie gewährt. Streitgegenständlich war hier die Ablehnung der Beklagten Krankenkasse der operativen Angleichung im Genitalbereich.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

 

1. Liegt eine Krankheit i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V vor?

Durch die Feststellung des Sozialgerichtes, an die das BSG gebunden war, leidet die Klägerin "an keiner "Krankheit" in Form eines behandlungsbedürftigen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes". "Die Klägerin befand sich", vor allen Behandlungen, "in einer regelhaften körperlichen Verfassung einer Frau. Eine "Entstellung" oder mit der begehrten Operation zu behandelnde Funktionsbeeinträchtigung hat das SG nicht bindend festgestellt."


2. Zisidentität als psychische Erkrankung?

Liegt eine psychische Erkrankung vor, so kann die Klägerin nur eine psychische Behandlung verlangen. Das BSG lässt körperliche Eingriffe an gesunden Körpern, "die psychische Leiden beeinflussen sollen" nicht zu. Von diesen Grundsätzen weicht der BSG auch in diesem Fall nicht ab. "Eine Entstellung besteht" auch nur dann, ween "der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit" vorliegt, "dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet." Dieser Grundsatz "wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirugischer Eingriffe wesentlich" ändern würde. Eine Ausnahme aufgrund einer Anwendung des TSG besteht ebenfalls nicht. Eine solche besteht immer nur dann, wenn das Ziel der Krankenbehandlung zumindest auf die Annäherung an einen regelhaften Zustand gerichtet ist. Ein solches Ziel hatte die Klägerin hier allerdings nicht.

 

3. Behandlungsbedürftige körperliche Regelwidrigkeit?

Eine behandlungsbedürftige körperlicher Regelwidrigkeit könnte bei Funktionsbeeinträchtigungen oder Entstellungen in Betracht kommen. "Ansatzpunkt könnten der physische Zustand ihrer Geschlechtsorgange im Falle von - hier allerdings nicht festgestellten - Funktionsstörungen un die mit der Hormontherapie ggf. verbundenen durch die begehrte operative Behandlung als mittelbare Folge möglicherweise entfallenen negativen Nebenwirkungen (Haarausfall etc) sein." 

 

4. erstrebtes Behandlungsziel § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst?

Selbst wenn ein solche Regelwidrigkeit vorliegen würde, wäre das Behandlungsziel, die "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen", nicht von § 27 Abs. 1 Satz SGB V erfasst. "Die angestrebte plastische chirurgische Herausbildung eines Minipenis bei gleichzeitiger Erhaltung und Vergrößerung der vorhandenen Schamlippen entspricht weder dem regelgerechten Zustand einer Frau noch demjenigen eines Mannes."

 


BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 28.9.2010, B 1 KR 2/10 R

 

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