Donnerstag, 28. Juli 2011

MPU für Fahrradfahrer ohne Führerschein?

Zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Kassel vom 06.10.2010, Az.: 2 B 1076/10:

Leitsatz des Gerichts:
"Hat ein Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille oder mehr am Straßenverkehr teilgenommen, so bestehen berechtigte Zweifel an seiner Eignung zum Führen eines nicht erlaubnispflichtigen Fahrzeugs, die eine Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens gem. §§ 3 Abs. 2, 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV rechtfertigen. Dies gilt auch bei einem sog. Ersttäter, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge ist (a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.09.2009 - 10 B 10930/09 -, DAR 2010, 35 = NZV 2010, 54 = NJW 2010, 457 = BA 46, 437)."

Sachverhalt:
Der Antragsteller wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr durch Strafbefehl verurteilt. Der Tat lag eine Fahrradfahrt mit einem Alkoholgehalt von 1,75 Promille zu Grunde. Aufgrund dieser Tat wurde ihm nachträglich untersagt am Straßenverkehr teilzunehmen, obwohl er keinen Führerschein besitzt.

Entscheidungsgründe:
  • Grundsätzlich kommen die Vorschriften zur MPU auch auf Fahrradfahrer oder Hundeführer zur Anwendung, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Ungeeignetheit oder nur noch bedingte Geeignetheit rechtfertigen.
  • Bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr - für Fahrradfahrer - steht der Behörde kein Ermessen mehr zu - sie muss eine MPU anordnen.

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Widerruf der Approbation als Zahnarzt aufgrund eines Sexualdelikts

Zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.01.2011 Az.: 3 B 63/10:

Leitsätze des Gerichts:
  1. "Anlass für den Widerruf der Approbation als Zahnarzt wegen Unwürdigkeit können nur gravierende Verfehlungen sein, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung)."
  2. "Die Entscheidung des Berufungsgerichts, von der durch § 130a VwGO eröffneten Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Gebrauch zu machen, muss daran ausgerichtet sein, ob die für das gerichtliche Verfahren zentrale Funktion der mündlichen Verhandlung nach den Umständen des Falles ausnahmsweise verzichtbar ist, etwa weil der Sache für die Beteiligten keine besondere Bedeutung zukommt, der Fall einfach gelagert ist und tatsächliche
    Fragen geklärt sind."
Sachverhalt:
Der Kläger ist Zahnarzt. Er wurde durch Strafurteil wegen sexueller Nötigung eines 15-jährigen Mädchens zu einer Haftstarfe von einem Jahr verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daraufhin wurde dem Kläger durch den Beklagten die Approbation u.a. wegen Unwürdigkeit widerrufen.

Entscheidungsgründe:
Für einen Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit bedarf es einer gravierenden Verfehlung, welche geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Apptobation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern. Verallgemeinerungen sind mit diesem Grundsatz nicht vereinbar. Es muss immer eine Einzelfallentscheidung vorgenommen werden.

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Anlass für den Widerruf der Approbation als Zahnarzt wegen Unwürdigkeit können nur gravierende Verfehlungen sein, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts, von der durch § 130a VwGO eröffneten Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Gebrauch zu machen, muss daran ausgerichtet sein, ob die für das gerichtliche Verfahren zentrale Funktion der mündlichen Verhandlung nach den Umständen des Falles ausnahmsweise verzichtbar ist, etwa weil der Sache für die Beteiligten keine besondere Bedeutung zukommt, der Fall einfach gelagert ist und tatsächliche Fragen geklärt sind.

Verjährungsbeginn und die Wissenszurechnung zwischen Kranken- und Pflegekasse

Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.03.2011, Az.: VI ZR 162/10:


Leitsatz des Gerichts:
"Kommt es für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der Pflegekasse an, ist die Kenntniserlangung durch den Beschäftigten für die Verjährung der Forderungen der Pflegekasse nur relevant, wenn und soweit der Bedienstete bei der Abwicklung des Schadensfalles für diese handelt."

Sachverhalt:
Die Klägerin ist die gesetzliche Pflegekasse eines durch einen Verkehrsunfall geschädigten Versicherungsnehmers. Beklagte ist der Haftspflichtversicherer des Unfallverursachers. Die bei der Krankenkasse angestellte Sachbearbeiterin rechnete ab dem Jahr 2004 mehrfach Krankheitskosten für den Verletzten gegenüber der Beklagten ab. Im Jahr 2004 einigten sich die Beklagten und die Krankenkasse auf eine Haftungsquote von 50 %. Die Sachbearbeiterin der Krankenkasse stellte dann erstmals am 18.04.2008 eine erste Zwischenabrechnung in Höhe von 50 % der Pflegekosten, die der Kläger am 30.06.2007 übernommen hatte. Die Beklagte lehnte einen Ausgleich ab.

Auszug aus den Entscheidungsgründe:
  • "Der gesamte einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden stellt sich als eine Einheit dar und nicht als eine Summe einzelner selbständiger, unzusammenhängender Schäden. Daher schließt die Ungewissheit über den Umfang und die Höhe des Schadens den Beginn der Verjährung nicht aus..."
  • "Vielmehr genügt die allgemeine Kenntnis vom Ein-tritt eines Schadens..."
  • "Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kennt-nis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt..."
  • "Sind innerhalb einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig - nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglichder Geltendmachung von Schadensersatz - oder Regressansprüchen gegenüber Dritten - , so kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressan-sprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regress-abteilung an."
  • "Kommt mithin der Krankenkasse eine Ent-scheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Pflegekasse nicht zu, vermag die Kenntnis der Bediensteten der Krankenkasse die Verjährungsfrist für die Pflegekasse grundsätzlich auch dann nicht in Gang zu setzen, wenn die Sachbearbeiter in Personalunion die Erstat-tungsansprüche für Krankheits- und Pflegekosten bearbeiten."
  • "Eine Wissenszurechnung in diesem Sinne setzt grundsätzlich voraus, dass derjenige, auf dessen Kenntnisse (allein oder im Zusammenwirken mit dem Wissens-stand anderer) abgestellt werden soll, in den betreffenden Aufgabenkreis ein-gebunden war..."
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Mittwoch, 27. Juli 2011

Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses selbst bei Einvernehmen des Opfers

Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14.04.2011, Az.: 4 StR 669/10:

Leitsätze des Gerichts:
  1. "Einer Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses nach § 174c Abs. 1 StGB steht allein das Einvernehmen des Opfers mit der vom Täter vorge-nommenen sexuellen Handlung nicht entgegen.
  2. An einem Missbrauch im Sinne dieser Vorschrift fehlt es ausnahmsweise dann, wenn der Täter im konkreten Fall nicht eine aufgrund des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses bestehende Autoritäts- oder Vertrauensstellung gegenüber dem Opfer zur Vornahme der sexuellen Handlung ausnutzt."

Sachverhalt:
Der Angeklagte ist Heilpraktiker und Osteopath. Während seiner Behandlungen kam es zu mehreren sexuellen Handlungen die teilweise mit Einwillung seiner Patienten erfolgten.

Entscheidungsgründe:
  • ein Einvernehmen in sexuelle Handlungen unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses schließt weder als Einverständnis in den Tatbestand noch als Einwilligung die Rechtswidrigkeit der Tat aus
  • dies ergibt sich schon aus dem Willen des Gesetzgebers, denn es kam ihm gerade darauf an, sexuelle Kontakte in Beratungssituationen, in welchen meist ein besonderes Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis besteht, auszuschließen
  • auch § 174c StGB erfodert keine Nötigung des Opfers
  • der Missbrauchsbegriff des § 174c StGB knüpft an das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis an

Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherung von Kosten zur In-Vitro-Fertilisation

Zur Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 20.05.2011, Az.: 6 U 187/10:

Leitsätze des Gerichts:
"1. Die In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) ist eine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung der Sterilität eines Mannes.

2. Die Aufwendungen hierfür sind nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als medizinisch notwendige Heilbehandlung von der privaten Krankenversicherung aber nur dann zu erstatten, wenn die Maßnahme hinreichenden Erfolg verspricht. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht ist von der durch das IVF-Register seit 1982 umfassend dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau auszugehen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit individuelle Faktoren die Einordnung der Frau in die ihrem Lebensalter entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind als die im IVF-Register für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte. Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgsaussicht von 15 % nicht mehr erreicht wird (BGH , Urteil vom 3.3.2004 - IV ZR 25/03 VersR 2004, 588; Urteil vom 21.9.2005 - IV ZR 113/04 - VersR 2005, 1673).

3. Auf die Feststellung der Erfolgsaussicht von mindestens 15 % kann auch angesichts der medizinischen Fortschritte im Bereich der künstlichen Befruchtung nicht verzichtet werden, da sich diese auch auf die statistische Erfolgsquote auswirken würden.

4. Bei einer zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtungsversuche 44-45-jährigen Frau müssen daher aufgrund sachverständiger Feststellungen Umstände festgestellt werden können, die die in dieser Altersgruppe unter 15 % liegende Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht."
Was bedeutet dieses Urteil für Versicherungsnehmer einer privaten Krankenkasse?
Zunächst geht es in dem vorliegenden Urteil um die Kostentragung der privaten Krankenkasse des Mannes. Diese zieht allerdings auch die Kriterien der zu befruchtenden Frau mit ein. Deswegen kommt es auch darauf an, in welchem Alter sich die zu befruchtende Frau befindet. Je älter die Frau ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung. Auch bei der privaten Krankenkasse kommt es darauf an, dass die künstliche Befruchtung einen hinreichenden Erfolg verspricht. (vgl. gesetzliche Krankenkasse in meinem Artikel über die Kostenerstattung durch die gesetzl. KV).
Liegt die Wahrscheinlichkeit laut IVF-Register unter 15 % sollte ein Sachverständiger hinzugezogen werden, der darlegen kann, dass die Erfolgsaussichten aufgrund anderer Umstände deutlich höher sind.

Verurteilung eines Berliner Schönheitschirurgen teilweise aufgehoben

Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 07.07.2011 Az: 5 StR 561/10:

Sachverhalt:
Das Landgericht Berlin hatte einen Berliner Schönheitchirurgen wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchten Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Der Angeklagte Arzt hatte in seiner Tagesklinik eine schwere Operation ohne einen erforderlichen Anästhesisten durchgeführt. Darüber hatte der Arzt seine Patientin getäuscht. Dadurch war die Einwilligung der Patientin unwirksam, was den Eingriff als Körperverletzung qualifizierte. Am Ende der Operation kam es zu einem Herzstillstand, welcher zwar überwunden wurde, der Arzt unterließ es jedoch die Patienten schnellstmöglich auf eine Intensivstation einzuweisen. Die Patientin verstarb.

Die Entscheidung:
Der BGH gab den Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers statt und verwies das Verfahren an eine neu berufene Schwurgerichtskammer zurück. Die Kammer wird nun erneut zu prüfen haben, ob ein versuchtes Tötungsdelikt vorliegt.

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Ist das Verschweigen einer Gastritis Grund für eine Kündigung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung?

Zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 07.06.2011 Az.: 11 U 6/11:


 Aus der Pressemitteilung des OLG Brandenburg:
"...die vorwerfbare Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen sei für den Abschluss des Versicherungsvertrages relevant gewesen. Die Versicherung habe die Möglichkeit, bei der Diagnose "Gastritis" den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages abzulehnen oder Prämienzuschläge zu fordern. Das Versicherungsunternehmen sei wegen der verschwiegenen Erkrankung zur Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt. Der Vertrag sei damit nichtig, so dass der Klägerin keine
vertraglichen Ansprüche zustünden."

Was bedeutet das für mich als Versicherungsnehmers?
Vor Abschluss eines Versicherungsvertrages sollte man sich klar machen, dass das Verschweigen von Krankheiten oder sonstigen Versicherungsrelevanten Tatsachen immer ein böses Ende nehmen kann. Schlimmsten Falles werden keine Leistungen im Versicherungsfall ausgezahlt oder man muss bereits erhaltene Leistung zurück zahlen. Jeder Versicherungsnehmer sollte notfalls vor Abschluss eines Versicherungsvertrages Rücksprache mit seinem Hausarzt und seinem Versicherungsvertreter halten, um vertragsrelevante Krankheiten heraus zu finden.

Habe ich, als Deutscher, einen Schmerzensgeldanspruch gegen ein Schweizer Kantonspital?

Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.07.2011 Az.: VI ZR 217/10:

Sachverhalt:
Der in Deutschland wohnhafte Kläger begab sich zur ambulanten Behandlung in dem von dem Schweizer Kanton Basel-Stadt betriebenen Universitätsspital. Der behandlende Schweizer Arzt verordnete dem Kläger eine medikamentöse Therapie in Form von Tabletten und Eigeninjektionen, welche unter Aufsicht seines Hausarztes in Deutschland weitergeführt werden sollte.

Der Kläger war der Ansicht, dass hier das deutsche Recht Anwendung finden müsste, da die Nebenwirkungen in Deutschland aufgetreten seien.

Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab. Das Oberlandesgericht ist von der Anwendbarkeit Schweizer Rechts ausgegangen und wie die Klage ebenfalls ab.

Die Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich die deliktische Haftung des Arztes nach Schweizer Recht richtet.

Was bedeutet das für den deutschen Patienten?
Besteht der Verdacht auf einen Behandlungsfehler durch einen Schweizer Arzt, welcher bei einem Kanton in einem Klinikum angestellt ist, so muss der Kanton in Anspruch genommen werden, dass bedeutet wiederrum, dass das Schweizer Recht zur Anwendung kommt. Die Ärzte, die einen Behandlungsfehler im inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten dem Kanton über begehen, können nach Schweizer Recht nicht aus deliktischer Haftung in Veranwortung gezogen werden.

Ist der Vertragsarzt Amtsträger?

Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.07.2011 Az.: 5 StR 115/11 auf die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 9.12.2010 Az.: 618 KLs 10/09 :

Eine endgültige Klärung, ob der Vertragsarzt, als Amtsträger oder Beauftragter im geschäftlichen Verkehr tätig wird, bleibt zunächst weiter offen. Der 5. Strafsenat hat das Verfahren dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Voraussetzungen für die rechtliche Anerkennung von Transsexuellen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Transsexuellengesetz verfassungswidrig, BVerfG 1BvR 3295/07

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Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts 7/2011 zum Beschluss des BVerfG vom 11.01.2011 1 BvR 3295/07:
  1. Grundsätzlich ist die Abstellung auf das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht im TSG nicht zu bestanden.
  2. Der Gesetzgeber stellt aber in § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG unzumutbare Anforderungen an den Betroffenen.
  3. Es stellt eine massive Beeinträchtigung der von Art. 2 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit dar, von einem Betroffenen zu verlangen meist nicht indizierte und nicht erforderliche operative Eingriffe an sich vornehmen lassen zu müssen.
  4. Der Verweis auf eine Eheschließung eines homosexuellen Transsexuellen ist schon deshalb nicht zumutbar, weil er dadurch in eine Geschlechterrolle verwiesen wird, die der selbst empfundenen widerspricht und durch die Namensänderung und des äußeren Erscheinungsbildes ungewollte Einblicke in die Intimsphäre gewährt würden.


Urteil gegen Berliner "Drogenarzt" aufgehoben - BGH, Beschluss vom 11.01.2011 - 5 StR 491/10

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Sachverhalt:
Der Angeklagte war ein auf psychotherapeutische Behandlungen spezialisierter Arzt. Er führte sog. psycholytische Sitzungen durch, bei welchen die Patienten durch Drogen in ein "Wachtraumerleben der Objektumgebung" versetzt wurden. "Im September 2009 führte der Angeklagte eine Intensivsitzung durch, in deren Rahmen sich sechs Gruppenmitglieder zur Einnahme des Rauschgifts MDMA bereiterklärten. Wegen eines ihm unterlaufenden Wiegeversehens übergab er an diese jedoch mindestens die zehnfache Menge der beabsichtigten Menge." Durch dieses Versehen verstarben 2 Gruppenmitglieder an Multiorganversagen aufgrund der Überdosis an MDMA. Das Landgericht Berlin hatte den Angeklagten u.a. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt und ihn mit einem dauerhaften Berufsverbot belegt.


Die Entscheidung des BGH (aus der Pressemitteilung 19/2010):
Der BGH hat nun das Urteil des LG Berlins aufgehoben und es an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Durch die freiwillige Drogeneinnahme der Gruppenmitglieder muss der Angeklagte eine Handlungsherrschaft gehabt haben. Es muss also noch geklärt werden, inwieweit der Wiegefehler zu einer Vorsatztat oder einer Fahrlässigkeit führen. 


Montag, 31. Januar 2011

Haftung des Durchgangsarztes

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Leitsatz des Gerichts:

Ein Durchgangsarzt, der die besondere Heilbehandlung anordnet und selbst übernimmt, haftet auch dann persönlich nach zivilrechtlichen Grundsätzen, wenn das Unterlassen einer sachgerechten Behandlung auf der fehlerhaften Auswertung einer Röntgenaufnahme beruht, die vor seiner Entscheidung über die Anordnung der besonderen Heilbehandlung erfolgt ist.

 


http://www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de/

OLG Oldenburg, Urteil v. 30.06.2010 Az.: 5 U 15/10

Bei Nennung eines Zeitkorridors besteht in der Regel keine rechtliche Pflicht, den Patienten an die Terminswahrnehmung zu erinnern

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Leitsatz des Gerichts:

Wenn der Arzt den Patienten auf die Notwendigkeit einer erneuten Vorsorgeuntersuchung hinweist und ihm dafür einen Zeitkorridor nennt, gibt es in der Regel keine rechtliche Pflicht, den Patienten an die Terminswahrnehmung zu erinnern. Abweichende Fallkonstellationen aufgrund des konkreten Einzelfalles sind allerdings denkbar.

 

http://www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de/

OLG Koblenz, Urteil v. 24.06.2010 Az.: 5 U 186/10


Samstag, 29. Januar 2011

Urteil im "Zitronensaftfall" aufgehoben - Risikoaufklärung

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Sachverhalt:

Der Angeklagte Arzt ist von der Heilwirkung des Zitronensaftes als Wunddesinfektionsmittel überzeugt. Er unterlies es aber, die Patienten über das Einbringen, von eben solchen, in die Wunde aufzuklären.

 

Leitsatz der Bearbeiterin:

"Birgt ein ärztlicher Heileingriff das Risiko, dass sich in seiner Folge eine weitere behandlungsbedürftige Erkrankung oder körperliche Schädigung einstellt, so muss der Arzt den Patienten vor dem ersten Eingriff nur dann über die Art und die Gefahren einer bei Verwirklichung des Risikos notwendigen Nachbehandlung aufklären, wenn dieser ein schwerwiegendes, die Lebensführung eines Patienten besonders belastendes Risiko anhaftet, etwa der Verlust eines Organs."

Zum rechtfertigenden Behandlungsabbruch auf der Grundlage des Patientenwillens nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 25.06.2010 (2 StR 454/09)

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Auf der Grundlage der Senatsentscheidung vom 25.06.2010 hat der BGH in seiner Entscheidung folgendes nochmals verdeutlicht:

 

"Ein rechtfertigender Behandlungsabbruch auf der Grundlage des Patientenwillens" kann nur in Betracht gezogen werden, wenn die "Voraussetzungen der §§ 1901a, 1901b BGB" beachtet und eingehalten worden sind.

 

"Gemäß § 1901a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist nur der Betreuer bzw. Bevollmächtigte (§ 1901a Abs. 5 BGB) befugt, die Übereinstimmung der Festlegungen in der Patientenverfügung mit der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation des Patienten zu prüfen und auf dieser Grundlage dem Willen des Patienten gege-benenfalls Geltung zu verschaffen."

 

"Darüber hinaus setzt die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch gemäß § 1901b Abs. 1 BGB zwingend ein Zusammenwirken von Betreuer bzw. Bevollmächtigtem und Arzt voraus. Danach prüft der behandelnde Arzt in eigener Verantwortung, welche ärztliche Behandlung im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist und erörtert dies mit dem Betreuer unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die zu treffende Entscheidung."

 

Beschluss des 2. Strafsenats vom 10.11.2010 - 2 StR 320/10 -

Sofortkontakt mit der Bearbeiterin, RA'in S. Kuphal



www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de

Vertragsärzte und die Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB

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Nach § 299 StGB macht sich ein Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes der Bestechung oder Bestechlichkeit strafbar, wenn er im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, § 299 Abs. 1 StGB.

 

Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge, § 299 Abs. 2 StGB

 

Das Oberlandesgericht Braunschweig hat nun entschieden, dass Vertragsärzte Beauftragte im Sinne des § 299 StGB sind.

 

Vereinbarungen zwischen, beispielsweise, Apothekern und niedergelassenen Ärzten, die darauf abzielen, dass der Apotheker dem Arzt Mietkostenzuschüsse oder andere Zuschüsse gewährleistet, damit diese sich in der nähe der Apotheke ansiedelt, können zu einer Strafbarkeit nach § 299 StGB führen. Eine solche Strafbarkeit liegt auf der Hand, wenn der Arzt gegen § 11 Abs. 1 AMG verstößt. Nach dem OLG Braunschweig reicht es aber nicht aus, dass der Arzt in die nähe der Apotheke zieht und ein erheblicher Teil der ausgestellten Rezepte in den Geschäftsräumen des Apothekers eingelöst werden ohne das konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arzt auf seine Patienten eingewirkt hat ihre Rezepte in der Apotheke des Vereinbarungspartners einzulösen oder gezielt dafür gesorgt hat, dass die von einer Apotheke zu fertigen Zytostatika überwiegend vom Vereinbarungspartner hergestellt wurden.

 


OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.02.2010, Az.: WS 17/10  

 

Keine Strafbarkeit bei Abbruch lebenserhaltender Behandlung auf der Grundlage des Patientenwillens

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  1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krank-heitsprozess seinen Lauf zu lassen.

  2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden.
  3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich.

BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 - 

Erläuterung der Vorsitzenden Richterin zum Urteil des BGH v. 25.06.2010, Az.: 2 StR 454/09

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Aus dem Artikel:

"..."Für eine erlaubte Sterbehilfe kommt es allerdings nicht mehr darauf an, ob ein dem Patientenwillen folgender Abbruch der Behandlung durch aktives Tun oder durch Unterlassen ausgeführt wird. Maßgeblich ist, dass die Handlungen erforderlich zur Umsetzung des Patientenwillens sind und im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung stehen." Der Patientenwille sei in jedem Fall verbindlich, gleichgültig, ob er schriftlich niedergelegt, mündlich geäußert oder durch nonverbales zum Ausdruck gebracht werde. ...

 

ein Behandlungsabbruch sich nicht in bloßer Untätigkeit erschöpfe; "er kann und wird vielmehr fast regelmäßig eine Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen erfassen."

 


Artikel im Ärzteblatt 

Zur Verantwortlichkeit eines im Beweissicherungsdienst tätigen Arztes für tödlich verlaufenen Brechmitteleinsatz gegen Drogen-Kleindealer.

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Aus den Entscheidungsgründen:
Der Angeklagte war als die Zwangsmaßnahme ausführender Arzt zu einer verantwortlichen Prüfung der rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen jenseits der Beurteilung der medizinischen Risiken allenfalls in dem Maße verpflichtet, als er an einer erkennbar willkürlich angeordneten Zwangsmaßnahme nicht teilnehmen durfte (vgl. Birkholz/Kropp/Bleich/Klatt/Ritter Krimi-nalistik 1997, 277, 278).

 

dass der Angeklagte nach Bergung der ersten Kokainkugel weiter gehandelt hat, obwohl nunmehr die Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG - zumal bei Kenntnis der Polizeibeamten von der Anzahl der Schluckbewegungen des Verdächtigen C. - aufgeklärt war; schon deshalb lagen die Voraussetzungen für eine weitere Inanspruchnahme der Eilkompetenz offen-sichtlich nicht mehr vor, und die Maßnahme war ab diesem Zeitpunkt wegen leicht erkennbarer Unverhältnismäßigkeit unzulässig.

 

Die für die ärztliche Berufsausübung wesentliche Aufklärungspflicht (§ 8 BO für Ärztinnen und Ärzte des Landes Bremen vom 30. Juni 1997, ABl. S. 479) ist auch von dem Arzt zu erfüllen, der eine Zwangsmaßnahme gemäß § 81a StPO vorzunehmen hat (Kohlhaas NJW 1968, 2277, 2278), falls der Betroffene hierdurch in die Lage versetzt wird, den hinzunehmenden Eingriff schonender zu gestalten.

 

Fahrlässig schuldhaftes Handeln kommt unter diesem Aspekt bei demjenigen Arzt in Betracht, der eine Tätigkeit vornimmt, obwohl er weiß (bewusste Fahrlässigkeit) oder erkennen kann (unbewusste Fahrlässigkeit), dass ihm die dafür erforderlichen Kenntnisse fehlen (BGHSt 43, 306, 311; BGH JR 1986, 248, 250; NJW 1979, 1258, 1259).

 

Das sich aus § 7 Abs. 1 BO ergebende Gebot gilt für "jede medizinische Behandlung" und umfasst demnach auch die von Ärzten ausgeführten Zwangsmaßnahmen gemäß § 81a Abs. 1 StPO.

 


BGH, Urt. v. 29.04.2010 Az.: 5 StR 18/10


Kontaktaufnahme

 

Arzt wegen eines Behandlungsfehlers zu einer Haftstrafe verurteilt

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Aus der Pressemitteilung:

...Nach den Feststellungen der Kammer unterzog sich eine 49-jährige Patientin am 30. März 2006 in der Praxis des Angeklagten einer Schönheitsoperation. Entgegen dem ärztlichen Standard führte der Angeklagte den vierstündigen Eingriff ohne Anästhesisten durch und veranlasste nach einem Herz-Kreislaufstillstand der Geschädigten erst sieben Stunden nach der erfolgten Reanimation eine Überstellung in ein Krankenhaus. Die Patientin verstarb an den Folgen dieser fehlerhaften Behandlung am 12. April 2006. ...

 

Zeugnisverweigerungsrecht einer Krankenschwester

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Aus den Entscheidungsgründen:

"... Einem Arzt stehen gem. § 53a Abs. 1 StPO seine Gehilfe und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Berufan der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, da ansonsten der erstrebte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt durch die Vernehmung der Hilfspersonen des Arztes umgangen werden könnte. ...

 

Wie sich allerdings aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, erstreckt sich das Recht zur Zeugnisverweigerung nicht auf Tatsachen, von denen der Arzt bzw. dessen Gehilfe zwar bei Gelegenheit der Berufsausübung erfahren hat, nicht aberin seiner Eigenschaft als Arzt/Gehilfe.

 

Deshalb ist ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht anzuerkennen, soweit es sich um Informationen handelt, die weder im funktionalen (inneren) Zusammenhang mit der ärztlichen/pflegerischen Tätigkeit noch im Zusammenhang mit diesemVertrauensverhältnis stehen. ..."

 


OLG Hamm, Beschluss v. 20.01.2009 Az.: 5 Ws 24/09

Die Anforderungen an den Widerruf einer Heilpraktikererlaubnis wegen mangelnder Zuverlässigkeit und der Anordnung dessen sofortiger Vollziehung.

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Leitsätze des Gerichts:

1. An der Zuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchst. f 1. DVO-HeilprG fehlt es, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Heilpraktiker werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt, und sich dadurch Gefahren für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten ergeben.

 

2. Für die nach § 2 Abs. 1 Buchst. f 1. DVO-HeilprG zu treffende Prognose sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich.

 

3. Eine wesentliche Berufspflicht des Heilpraktikers ist es, sich der Grenzen seines Wissens und Könnens bewusst zu sein und einer notwendigen ärztlichen Behandlung seines Patienten nicht im Wege zu stehen. Ein Heilpraktiker darf das Unterlassen der Inanspruchnahme notwendiger ärztlicher Hilfe weder veranlassen noch stärken.

 

4. Die Jahresfrist des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. §§ 49 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG gilt im Widerrufsverfahren nach § 7 1. DVO-HeilprG nicht.

 

5. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Widerrufs nach § 7 Abs. 1 1. DVO-HeilprG setzt voraus, dass sie zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig und auch im Übrigen verhältnismäßig ist.

 


OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.10.10 (Az. 8 ME 181/10)

 

Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte muss über Cannabis-Anbau durch MS-Patienten neu entscheiden

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Das Verwaltungsgericht Köln hat der Klage eines Multiple-Sklerose Patienten auf Erlaubnis zum Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken teilweise stattgegeben.

 

Sachverhalt:

Der Kläger leidet seit 1985 an MS. "Nach Ansicht seiner Ärzte hat der jahrelange regelmäßige Cannabiskonsum des Klägers günstige Effekte auf die mit seiner Erkrankung verbundene Ataxie (=Störungen der Bewegungskoordination). Der Kläger sieht aus medizinischen und wirtschaftlichen Gründen die von seiner Krankenkasse nicht übernommene Behandlung mit Dronabinol oder mit Cannabis-Extrakt nicht als Alternative an und beantragte deswegen eine Erlaubnis nach dem Betäubungsmittelgesetz zum Eigenanbau von Cannabis. Diese wurde ihm vom BfArM mit der Begründung versagt, eine Erlaubnis verstoße gegen das internationale Suchtstoffübereinkommen."

 

Zu den Entscheidungsgründen heiß es in der Pressemitteilung:

"Dem folgte das Verwaltungsgericht jedoch nicht: Es stellte fest, dass die ablehnende Entscheidung des BfArM rechtswidrig war. Zwingende Versagungsgründe lägen nicht vor. Die Sicherungsmaßnahmen des Klägers seien ausreichend. Der jahrelange Eigenanbau belege, dass der Kläger sich durch eine Therapie mit dem eigenangebauten Cannabis nicht selbst schädige. Der mit der Erlaubniserteilung verbundene Verstoß gegen das internationale Suchtstoffabkommen müsse nicht zwingend zu einer Versagung der Erlaubnis führen. Das BfArM habe auch bei Verstoß gegen das Abkommen einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen auch die Interessen des Klägers angemessen zu berücksichtigen seien. Dieses Ermessen habe die Behörde (bisher) nicht ordnungsgemäß ausgeübt, weil sie allein darauf abgestellt habe, dass eine Vertragsverletzung dem Ansehen der Bundesrepublik schade. Deshalb müsse die Behörde über den Antrag neu entscheiden und dabei auch den gegenwärtigen Gesundheitszustand des Klägers berücksichtigen, was zu einer anderen Entscheidung führen könne."



Pressemitteilung zum Urteil des VG Köln vom 11.01.2011 Az.: 7 K 3889/09

 

Kein Anspruch des Versicherten auf Erlangung eines regelwidrigen Zustandes - Erlangung weiterer männlicher Körpermerkmale

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Sachverhalt:

Die weibliche Klägerin "leidet unter einer Störung der Geschlechtsidentität in Form einer sog. Zisidentität, bei der von dem/der Betroffenen eine Anpassung an das andere Geschlecht unter Beihaltung beidgeschlechtlicher körperlicher Merkmale angestrebt wird." Eine Mammae reduzierende Operation und eine Hormontherapie mit Testosteron wurde der Klägerin bereits durch die Beklagte Krankenkasse gewährt. Darüber hinaus wurde der Klägerin eine subkutane Mastekomie gewährt. Streitgegenständlich war hier die Ablehnung der Beklagten Krankenkasse der operativen Angleichung im Genitalbereich.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

 

1. Liegt eine Krankheit i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V vor?

Durch die Feststellung des Sozialgerichtes, an die das BSG gebunden war, leidet die Klägerin "an keiner "Krankheit" in Form eines behandlungsbedürftigen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes". "Die Klägerin befand sich", vor allen Behandlungen, "in einer regelhaften körperlichen Verfassung einer Frau. Eine "Entstellung" oder mit der begehrten Operation zu behandelnde Funktionsbeeinträchtigung hat das SG nicht bindend festgestellt."


2. Zisidentität als psychische Erkrankung?

Liegt eine psychische Erkrankung vor, so kann die Klägerin nur eine psychische Behandlung verlangen. Das BSG lässt körperliche Eingriffe an gesunden Körpern, "die psychische Leiden beeinflussen sollen" nicht zu. Von diesen Grundsätzen weicht der BSG auch in diesem Fall nicht ab. "Eine Entstellung besteht" auch nur dann, ween "der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit" vorliegt, "dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet." Dieser Grundsatz "wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirugischer Eingriffe wesentlich" ändern würde. Eine Ausnahme aufgrund einer Anwendung des TSG besteht ebenfalls nicht. Eine solche besteht immer nur dann, wenn das Ziel der Krankenbehandlung zumindest auf die Annäherung an einen regelhaften Zustand gerichtet ist. Ein solches Ziel hatte die Klägerin hier allerdings nicht.

 

3. Behandlungsbedürftige körperliche Regelwidrigkeit?

Eine behandlungsbedürftige körperlicher Regelwidrigkeit könnte bei Funktionsbeeinträchtigungen oder Entstellungen in Betracht kommen. "Ansatzpunkt könnten der physische Zustand ihrer Geschlechtsorgange im Falle von - hier allerdings nicht festgestellten - Funktionsstörungen un die mit der Hormontherapie ggf. verbundenen durch die begehrte operative Behandlung als mittelbare Folge möglicherweise entfallenen negativen Nebenwirkungen (Haarausfall etc) sein." 

 

4. erstrebtes Behandlungsziel § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst?

Selbst wenn ein solche Regelwidrigkeit vorliegen würde, wäre das Behandlungsziel, die "Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen", nicht von § 27 Abs. 1 Satz SGB V erfasst. "Die angestrebte plastische chirurgische Herausbildung eines Minipenis bei gleichzeitiger Erhaltung und Vergrößerung der vorhandenen Schamlippen entspricht weder dem regelgerechten Zustand einer Frau noch demjenigen eines Mannes."

 


BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 28.9.2010, B 1 KR 2/10 R

 

Beihilfefähigkeit eines Neugeborenen-Screenings

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Aus den Entscheidungsgründen:

Beihilfefähig sind nach § 120 NBG n.F. iVm. § 87c Abs. 1 NBG in der bis März 2009 geltenden Fassung und iVm. mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) Aufwendungen, die dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Dazu zählt grundsätzlich auch das hier umstrittene Neugeborenen-Screening.

 

In Deutschland wurde das Neugeborenenscreening Ende der 60er Jahre (1969 BRD, 1971 DDR) als staatlich finanzierte Untersuchung eingeführt. Von daher sind Zweifel des Gerichts an der medizinischen Notwendigkeit dieser Vorsorgeuntersuchung nicht vorhanden.

 

Die Beklagte kann eine Beihilfe nicht unter Hinweis auf die allgemeinen Krankenhausleistungen verweigern. Zwar werden mit den Pflegesätzen der Krankenhäuser alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet; § 10 Abs. 2 Bundespflegesatzverordnung. Das Neugeborenen-Screening gehört aber nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen.

 


VG Hannover, Gerichtsbescheid vom 25.10.2010, Az.: 13 A 2895/10

Begriff der Krankheit i.S.v. § 1(2) MB/KK - Inseminationsbehandlung, In-vitro-Fertilisation -

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Leitsatz:

Im Streit um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlungen (hier Inseminationsbehandlungen, In-vitro-Fertilisationen mit intracytoplasmatischen Spermien-Injektionen) genügt der Versicherungsnehmer einer privaten Krankheitskostenversicherung der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit, wenn er nachweist, dass bei ihm eine Spermienanomalie vorliegt, die seine Fähigkeit, ein Kind zu zeugen, beeinträchtigt.

 


BGH, Urteil vom 15.09.2010 Az.: IV ZR 187/07

Beihilfefähigkeit von Kräuterteemischungen

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Leitsätze:

1. Für die Einstufung eines Präparats als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung ist nicht auf die formelle arzneimittelrechtliche Definition, sondern allein auf die materielle Zweckbestimmung des Präparats und seine Eignung abzustellen, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper ein Krankheitsbild zu heilen oder zu lindern (wie VGH Bad.-Württ. Urteile vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307 und vom 11.03.2010 - 10 S 3090/08 - PharmR 2010, 300). Ob das Mittel allgemein wissenschaftlich anerkannt ist oder eine solche Anerkennung zumindest erwartet werden kann, ist für die Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne ohne Belang.

 

2. Die Frage, ob ein Präparat geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO a. F. kein Anspruch auf Beihilfegewährung besteht, kann nicht fallübergreifend-abstrakt, sondern lediglich im Hinblick auf die konkrete Anwendung und die medizinischen Besonderheiten beurteilt werden.

 

3. Heilkräuterzubereitungen der Traditionellen Chinesischen Medizin (sog. Dekokte) können im Einzelfall dann als beihilfefähige Arzneimittel anzusehen sein, wenn sie pharmakologisch hoch aktive Bestandteile enthalten und aus medizinischen Gründen nicht im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr eingenommen werden dürfen.

 

4. Die fehlende allgemeine wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode steht einer Beihilfegewährung auch unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit und Angemessenheit im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO nicht von vornherein entgegen. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Beihilfe für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode dann, wenn das Finanzministerium keine Ausschlussentscheidung auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a. F. getroffen hat und die Notwendigkeit der Behandlung mit einer derartigen Methode im Einzelfall bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabes nachgewiesen ist. Bei dieser Prüfung kommt der Beurteilung des zuständigen Amtsarztes eine besondere Bedeutung zu. Unerheblich ist in einer derartigen Fallgestaltung, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung der Therapiemethode besteht.

 


VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.08.2010, Az.: 10 S 3384/08

 

Zur Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Autohomologe Immuntherapie bei einer Krebserkrankung

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Leitsatz:

Aufwendungen für eine Autohomologe Immuntherapie sind auch bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krebserkrankung nicht beihilfefähig.

 

Aus des Entscheidungsgründen:

1. Die Aufwendungen für die beim früheren Kläger durchgeführte Autohomologe Immuntherapie sind nach den Bestimmungen der Beihilfeverordnung nicht beihilfefähig, denn es handelt sich um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode.

 

2. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden ist grundsätzlich - von hier nicht gegebenen Sonderfällen abgesehen (siehe dazu unten 2. und 3.) - mit der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der Krankenvorsorge durch die Beihilferegelungen konkretisiert wird, vereinbar (BVerwG, Beschluss vom 22.08.2007 - 2 B 37.07 - juris Rn. 4 und Urteil vom 29.06.1995, a.a.O. - juris Rn.18). Denn die Gewährung von Beihilfen, die aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden und dem Gebot einer effektiven und sparsamen Verwendung unterliegen, gründet auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet (BVerwG, Urteil vom 29.06.1995, a.a.O. - juris Rn. 19; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.03.1994, a.a.O. - juris Rn. 35).

 

3. die Voraussetzungen, die für die Annahme einer wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode erforderlich sind, nicht vorgelegen. Sie sind im Übrigen auch bis heute nicht gegeben.

 

4. Es handele sich nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode. Nach den vorliegenden fachlichen Stellungnahmen sei davon auszugehen, dass die Autohomologe Immuntherapie medizinisch-wissenschaftlich unzureichend begründet sei und es an nachvollziehbaren Studien fehle (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.03.1994, a.a.O., juris Rn. 38 ff.).

 

5. Eine Behandlung ist wissenschaftlich allgemein anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird.

 

6. Um "anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um "wissenschaftlich" anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um "allgemein" anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden.

Somit ist eine Behandlungsmethode dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 a.a.O.). Die wissenschaftliche Anerkennung setzt im Regelfall auch voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.06.2003, a.a.O.).

 


VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2010, Az.: 11 S 2730/09

Alternative Heilbehandlungskosten als außergewöhnliche Belastung

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Aus den Entscheidungsgründen:

Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die entweder der Heilung einer Krankheit dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern. Der Begriff der Heilbehandlung in dem hierbei maßgeblichen Sinn umfasst alle Eingriffe und anderen Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern (BFH-Urteile vom 18.06.1997, III R 84/96, BStBl. II 1997, 805; vom 20.03.1987, III R 150/86, BStBl. II 1987, 596). Keine außergewöhnlichen Belastungen werden dagegen durch Aufwendungen für vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen oder durch die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten begründet. Derartige, die Gesundheit allgemein fördernde Maßnahmen dienen nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten und fallen daher nicht unter den Begriff der Heilbehandlung in dem hier maßgeblichen Sinne.

 

Steuerrechtlich rechnen sie zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung (BFH-Urteile vom 26.02.1992, III R 8/91, BStBl. II 1993, 278; vom 20.03.1987, III R 150/86, BStBl. II 1987, 596; Arndt in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 33 Rz. C 45 (Stand: Januar 2001)).

 


FG Münster, Urteil v. 16.06.2010 Az.: 10 K 1655/09 E 


Keine Beihilfenfähigkeit der Bioresonanztherapie

Leitsatz:

Die Bioresonanztherapie ist als Behandlungsmethode wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt, die Aufwendungen hierfür sind daher nicht beihilfefähig.

 



VG Saarlouis, Urteil vom 01.06.2010, Az.: 3 K 185/10

Beihilfefähigkeit einer Hormontherapie bei prämaturer Menopause

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Leitsatz:

Die prämature Menopause ist eine Krankheit im Sinne von § 6 Abs. 1 der BVO BW. Eine Hormontherapie stellt insoweit eine Behandlung und keine bloße Prophylaxe dar.

 

Heterologe künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung

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Leitsatz des Gerichts:

Auch Aufwendungen eines Ehepaares für eine heterologe künstliche Befruchtung (Befruchtung mit Fremdsamen) sind als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

 


http://www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de/

FG Niedersachsen, Urteil v. 09.05.2010 Az.: 9 K 231/07

Herausgabe von eingelagerten befruchteten kryokonservierten Eizellen

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Aus den Entscheidungsgründen:


Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe von neun unter ihrem Namen und dem ihres verstorbenen Ehemanns eingelagerten befruchteten kryokonservierten Eizellen.

 

Die für die Beklagte Handelnden verstoßen nicht gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, wenn sie die bereits mit Samenzellen imprägnierten Eizellen an die Klägerin übergeben. Denn durch die Herausgabe der Eizellen im vorhandenen Zustand wird keine Beihilfe zur Erfüllung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG geleistet. ...

 

Die Befruchtung der klägerischen Eizellen ist noch nicht vollendet, weil die Befruchtung durch die von der Beklagten vorgenommene Konservierung unterbrochen worden ist ...

 

Die Vollendung einer künstlichen Befruchtung, nachdem die Eizelle mit dem Samen des Mannes zu dessen Lebzeiten bereits imprägniert ist, ist vom Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG jedoch nicht erfasst. ..."

 


OLG Rostock, Urteil v. 07.05.2010 Az.: 7 U 67/09


Überwachungsmaßnahmen als medizinisch notwendige Heilbehandlung

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Aus den Entscheidungsgründen: 

 

"Hierbei ist als "medizinisch notwendige Heilbehandlung" im Sinne der Versicherungsbedingungen jegliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit hervorgerufen worden ist, sofern die Leistung von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt (vgl. Prölss/Martin, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage, § 1 MBKK 94, Rn. 21 m.w.N.). Dem steht eine Tätigkeit, die auf die reine Verhinderung der Ausdehnung und Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist, gleich, wobei sich dies durch Auslegung der Versicherungsbedingungen ergibt (vgl. BGH, VersR 1996, 1224; Prölss/Martin, aaO). Nach eindeutiger, herrschender Meinung und Rechtsprechung sind Überwachungsmaßnahmen, die der Erhaltung der Vitalfunktionen der versicherten Person dienen, als medizinisch notwendige Heilbehandlung zu bewerten (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 893; LG Dortmund, Urteil vom 12.07.2007, 2 O 323/06, zitiert nach juris; sowie VuR 2007, 399; vgl. auch Prölss/Martin, aaO)."

 


LG Bonn, Urteil vom 26.11.2009, Az.: 9 O 230/09


Keine Kündigung aus wichtigem Grund oder Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Verschweigen einer Drogenersatztherapie in einer Arztpraxis

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Leitsätze der Bearbeiterin: 

Eine Substitutionsbehandlung ist von einem vertraglich vereinbarten Gebrauch des Mietobjekts als "Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie" gedeckt.

 

Hinsichtlich einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Form eines Unterlassens der Aufklärung über die Durchführung von Drogenersatztherapien kann auf die gleichen Grundsätze zurückgegriffen werden, wie bei der Kündigung aus wichtigem Grund. Dadurch, dass eine Drogenersatztherapie eine besondere Nähe zu der Fachrichtung der Psychotherapie aufweist, fällt es in den Risikobereich des Vermieters hierzu Fragen zu stellen bzw. den Mieter zu einer entsprechenden Aufklärung zu drängen.



http://www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de/

Oberlandesgericht Köln, 1 U 26/10

Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf speziell qualifizierte Pflegekräfte eines Universitätsklinikums

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Leitsatz: Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegekräfte (hier Pilotprojekt) unterfällt der eingeschränkten Mitbestimmung nach dem SPersVG

 

Tenor:
Es wird festgestellt, dass die von dem Vorstand der Universitätskliniken des Saarlandes am 20.01.2010 beschlossene Delegation der in der Vorstandsvorlage vom 07.12.2009 und der zugehörigen Tätigkeitsmatrix vom 03.12.2009 genannten ärztlichen Tätigkeiten auf Pflegekräfte im Bereich der Klinik für Herz-Thorax-Gefäßchirurgie gemäß § 84 Nr. 5 SPersVG der Mitbestimmung des Antragstellers unterfällt und die Umsetzung des Vorstandsbeschlusses durch den Beteiligten vor Abschluss des Beteiligungsverfahrens die Rechte des Antragstellers verletzt.

 

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

 


http://www.buerogemeinschaft-fuer-medizinrecht.de/

VG Saarlouis Beschluß vom 19.5.2010, 9 K 338/10